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Das Orchester 07–08/2011

ShortCuts
2 CDs

Interpret: Petra Stump, Heinz-Peter Linshalm (Klarinette/Bassklarinette)
Verlag/Label: ein klang records EKR 045/046
Rubrik: CDs
erschienen in: das Orchester 07–08/2011, Seite 81

Man höre und staune! Eine Doppel-CD mit knapp zwei Stunden Spieldauer nur mit Duo-Kompositionen für zwei Bassklarinetten bzw. Klarinetten; fast alle in den vergangenen drei Jahren entstanden! „ShortCuts“ ist der treffende Titel für die 34 Kompositionen mit einer Länge von im Schnitt drei Minuten.
Es ist schon eine etwas verrückte Idee, die das phänomenale, junge Klarinetten-Duo Stump/Linshalm aus Österreich realisiert hat. Die beiden Musiker, deren Vorliebe der Bassklarinette gilt – Petra Stump hat bei Harry Sparnaay und Heinz-Peter Linshalm bei Ernesto Molinari studiert –, haben hierfür befreundete Komponisten eingeladen für sie Duos zu schreiben. Nachdem sie bei einer geplanten Uraufführung eines Werks von Jorge Sánchez-Chiong nur den zweieinhalbminütigen fertigen Teil zur Aufführung brachten, der es aber musikalisch in sich hatte, wurde die Idee geboren, das Potenzial von kurzen Stücken für zwei gleiche Klarinetten zu ergründen. Für dieses Projekt sind diese Instrumente geradezu prädestiniert.
Vor allem die Bassklarinette, für die zwei Drittel der Werke komponiert wurde, weist eine besonders große Klangvielfalt und einen effektvollen Einsatz von geräuschhaften Klängen auf. Die perkussiven Möglichkeiten der Slaptongue zeigt sich u.a. in David P. Heftis Dialog (T)raum-Ze(n)it. Die dynamische Bandbreite im Extrem des Leisen fasziniert in der Umsetzung von Christoph Herndlers grafisch notiertem quicksand, einem der eindrucksvollsten Stücke, das auch das Obertonspektrum und Flageoletttöne einbezieht. Im Kontrast dazu steht die Sonorität der tiefen Lage in Chaya Czernowins Duo Leat oder die klangliche Härte und das Maschinenartige in Hey Driver, Cool Down the H’s von Christoph Dienz.
Die unterschiedlichen kompositorischen Ansätze machen die „ShortCuts“ zu einer Art Bestandsaufnahme heutigen Komponierens, das sich selten nur noch auf das traditionelle Spielen des Instruments, wie in Gunter Schneiders aus der Tiefe, beschränkt. Vielfach wird das Elementare des Blasens, das Atemgeräusch in die Gestaltung einbezogen. Mitunter klingen die Klarinetteninstrumente durch den Einsatz von Mehrklängen, Differenztönen etc. kaum mehr nach ihrem typischen Eigenklang und gewinnen neue, häufig sehr zerbrechlich wirkende Klänge. So variantenreich diese Seite der Musik ist, so vielgestaltig ist auch die formale Konzeption, die sich für Duo-Kompositionen ergibt. In Stop and go von Alexander Stankovski verfolgen beide Spieler eine Linie, werden Töne gegen Pausen gesetzt, gibt es Kontinuität und Unterbrechung. Dieter Kaufmanns Élégie à deux, die mit dem B-A-C-H-Motiv arbeitet, zeigt ein partnerschaftliches Gespräch. Gemeinsame Aktionen überwiegen in combine von Bruno Strobl.
Die Nationalitäten der 34 Komponisten – mit einem größeren Anteil aus Österreich – zeigen den bereits großen Bekanntheitsgrad des Duos Stump/Linshalm. Sie alle können sich auf das inspirierende, ausdrucks- und spannungsvolle Spiel des Duos verlassen, dessen Engagement für die zeitgenössische Musik nicht hoch genug einzuschätzen ist.
Die komplette Werkliste mit Kommentaren kann unter www.stump-linshalm.com eingesehen werden.
Heribert Haase

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